Candidate Journey – Marketing Know-How für die Personalakquisition nutzen

Candidate Journey – Marketing Know-How für die Personalakquisition nutzen

Was haben potenzielle Kunden und Bewerber gemeinsam?

Sie müssen vom Unternehmen gewonnen werden.

 

Durch verschiedenste Maßnahmen ist es Unternehmen möglich, Bewerber und Bewerberinnen und Kunden und Kundinnen von sich zu überzeugen. Die Phasen, welche diese durchlaufen, während diese sich für ein Unternehmen entscheiden, sind sich in vielen Punkten ähnlich. Somit können einige Marketingmodelle auch auf die Personalakquisition übertragen werden und bereits vorhandenes Marketing-Know-How genutzt werden.

 

Denn wenn Sie in der Lage sind, Kunden erfolgreich anzusprechen, dann sind Sie auch in der Lage, Bewerber zu überzeugen!

 

Die AIDALA-Formel: Entscheidungen besser verstehen und beeinflussen.

Die AIDALA-Formel ist ein im Marketing häufig angewendetes Modell, welches die Customer Journey beschreibt. Dabei steht das Akronym (AIDALA) für die folgenden Begriffe:

  • Attention: Aufmerksamkeit erlangen
  • Interest: Interesse wecken
  • Desire: Kaufwunsch hervorrufen
  • Action: Kauf
  • Loyalty: Kundenbindung stärken
  • Advocacy: Weiterempfehlung[1]

Der Gedanke dahinter ist es, Kunden und Kundinnen zu binden, sie zu Markenbotschaftern und im Optimalfall zu Fans des eigenen Produkts zu machen. Word-of-mouth Marketing (auch Weiterempfehlungsmarketing) ist mitunter die effektivste Form des Marketings. Denn durch die Empfehlung einer vertrauten oder bekannten Person steigert sich die innere Kaufbereitschaft gleich um das Vierfache. Unternehmen erzielen durch die Empfehlungen solcher Markenbotschafter bei richtigem Einsatz einen Großteil der Käufe und erlangen ebenso hohe Markenbekanntheit.[2]

 

Abgeleitet aus der Customer Experience, also dem gesamten Kundenerlebnis vom ersten Kontaktpunkte bis zum Kauf und darüber hinaus, lässt sich das Modell auch auf das Recruiting übertragen.

 

In diesem Fall spricht man von der Candidate Journey.

 

Die Candidate Journey

Die Candidate Journey umfasst den gesamten Zeitraum, innerhalb dessen potenzielle Bewerbende Berührungspunkte zum Unternehmen knüpfen. Sie beginnt mit dem ersten direkten oder indirekten Kontaktpunkt, wobei die direkten Kontaktpunkte alle Punkte beschreiben, wo das Unternehmen selbst aktiv wird. Dazu zählen beispielsweise die Website, Anzeigen oder Social-Media-Aktivitäten. Ein externes Bewertungsportal kann dagegen als ein indirekter Kontaktpunkt beschrieben werden. Mit dem Onboarding und der Mitarbeiterbindung endet die Candidate Journey.[3]

 

Das Candidate Experience Wheel

Das Candidate Experience Wheel bietet die Möglichkeit, die Candidate Journey entlang aller Kontaktpunkte zu analysieren und zu optimieren. Dabei wird die Journey in 6 Phasen unterteilt und verdeutlicht den idealen Prozess, welchen Bewerbende durchlaufen, und beschreibt zugleich alle Berührungspunkte, welche diese mit dem Unternehmen haben.[4]

Phase 1: Anziehung

Die erste der 6 Phasen wird durch die Anziehungsphase beschrieben. In dieser Phase werden potenzielle Bewerbende auf das Unternehmen aufmerksam und bekommen ein positives Bild von diesem.[5] Infolgedessen entwickeln sie ein Bedürfnis nach mehr Informationen über das Unternehmen und dessen Jobmöglichkeiten.

Typische Möglichkeiten, um eine generelle Aufmerksamkeit für das Unternehmen zu generieren, sind informative Aushänge (digital und analog) in oder Kooperationen mit Hochschulen[6] sowie zielgruppenorientierte Imagekampagnen, beispielsweise über die diversen Social-Media-Kanäle des Unternehmens, beispielsweise LinkedIn.[7] Eine dritte Möglichkeit ist die Mund-zu-Mund-Propaganda, welche sich als immer wichtiger erweist, da potenzielle Bewerbende der Meinung von Bekannten und Angehörigen eine besonders starke Gewichtung verleihen.[8]

 

Phase 2: Information

In der Informationsphase beginnen potenzielle Bewerbende nach erfolgreicher Anziehungsphase, sich über das Unternehmen genauer zu informieren.[9] Hierbei sammeln diese über verschiedene Kanäle wie das Bewertungsportal Kununu oder diverse Karrierewebseiten weitere Informationen über das Unternehmen und dessen Jobangebote. Dabei vergleichen sie auch die Rechercheergebnisse mit Jobangeboten anderer Unternehmen.[10]

 

Damit die Informationsphase für die potenziellen Bewerbenden positiv verläuft, sollten die Stellenanzeigen über Online-Stellenbörsen und auf der Unternehmenswebseite kommuniziert werden, da 43 Prozent der Jobsuchenden „immer“ und 35 Prozent „häufig“ Stellenbörsen zur Informationsbeschaffung nutzen. Außerdem sollten die Stellenanzeigen klare Fakten zu den Aufgaben, dem Arbeitgeber und der Kultur beinhalten, um ein klares Bild der Position und des Arbeitsalltags zu schaffen.[11] Die Unternehmenswebseite dient dem Unternehmen als Visitenkarte und sollte damit in der Relevanz ihres Aufbaus nicht unterschätzt werden.[12]

 

Phase 3: Bewerbung

Die dritte Phase der Candidate Journey ist die sogenannte „Bewerbungs-Phase“. In dieser Phase werden Jobsuchende zu Bewerbenden des Unternehmens.

 

Hier ist es aus Unternehmenssicht besonders wichtig, aussagekräftige und unkomplizierte Jobtitel zu wählen. So zeigte sich in einer Studie von 2017 zur Candidate Journey, dass rund 39 Prozent der Studienteilnehmenden in Erwägung ziehen würden, eine Bewerbung aufgrund des unverständlichen Titels abzubrechen oder sogar definitiv abbrechen würden.

 

Weitere relevante Punkte in dieser Phase sind vielfältige analoge und digitale Bewerbungsmöglichkeiten wie beispielsweise über LinkedIn oder auch das Verzichten auf ein Anschreiben, um den Prozess für die Bewerbenden zu erleichtern und Barrieren zu vermeiden.[13]

 

Phase 4: Auswahl

Bei der Auswahl passender Bewerbender werden die Interaktionen intensiviert, da hier in der Regel der erste persönliche Kontakt zwischen diesen und dem Unternehmen stattfindet. Hier zählt das Vorstellungsgespräch als zentrales Ereignis.[14] Zusätzlich zum Vorstellungsgespräch werden häufig weitere Auswahlverfahren wie das Assessment-Center durchgeführt.

 

In dieser Phase ist die Erfüllung der Kandidatenerwartungen besonders wichtig für die Candidate Experience. 97,7 Prozent der Bewerbenden ist es von großer Bedeutung, dass sie die Eingangsbestätigung ihrer Bewerbung innerhalb der ersten 24 Stunden nach Einsendung erhalten. Im Vorstellungsgespräch wünschen sich diese als individuelle Person mit individuellen Stärken gesehen zu werden.

 

Zusammengefasst wünschen sich Bewerbende konkrete und zeitnahe Informationen zum Verfahren, Formen und Dauer des Auswahlverfahrens. Dabei zählt für sie besonders die Wertschätzung, die ihnen entgegengebracht wird.[15]

 

Phase 5: Onboarding

In der Onboarding Phase geht es um alle Eindrücke, welche Mitarbeitende sowohl technisch als auch organisatorisch im Unternehmen erleben, aber auch um die Integration in dieses. Schon vor dem Start des ersten Arbeitstages beginnt diese Phase des Candidate Wheels.

 

So gaben bei einer Studie zur Onboarding Experience der MetaHR rund 90 Prozent der Befragten, eine ausreichende Erläuterung der Arbeitsbereiche und Tätigkeiten bekommen zu haben oder sich dies sehr gewünscht hätten.[16]

 

Eine weitere Möglichkeit, neue Mitarbeitende adäquat ins Unternehmen einzugliedern, ist es, diesen einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin an die Seite zu stellen, welche für jegliche Fragen zur Verfügung stehen. Diesen Wunsch äußerten rund 76 Prozent der Befragten.[17]

 

Phase 6: Bindung

Nach der Bewerbungsphase und Onboarding-Phase ist die Zeit von bis zu einem Jahr nach der Einstellung dafür entscheidend, damit Mitarbeitende zu loyalen Mitarbeitenden werden, beispielsweise mithilfe des Employer Brandings. In der Probezeit wird die Beziehung, die Loyalität und Zufriedenheit gefestigt und der Wunsch nach einem Arbeitgeberwechsel aufgegeben.

 

Die Mitarbeiterbindung wird durch die Wertschätzung seitens des Arbeitgebers mit Weiterbildungsmöglichkeiten, Raum für Initiative und Möglichkeiten zur Übernahme von Verantwortung sowie häufiges Feedback von Führungskräften und klar kommunizierten Zielvorstellungen gesteigert.[18]

 

Optimierung der Candidate Journey im Unternehmen

Nachdem die Candidate Journey und ihre einzelnen Phasen genau beschrieben wurden, stellt sich nun die Frage, welche dieser Phasen in Ihrem Unternehmen bereits eine optimale Candidate Experience liefert und in welchen Phasen noch Verbesserungsbedarf besteht.

Um Ihre Candidate Journey zu optimieren, können Sie sich an folgenden Schritten orientieren:

 

  • Aktuelle Candidate Journey analysieren

Um die aktuelle Candidate Journey erfolgreich zu analysieren, ist es besonders hilfreich, einen typischen Bewerbungsprozess in Ihrem Unternehmen durchzuspielen. Betrachten Sie dabei die einzelnen Kontaktpunkte und die Möglichkeiten, die sich dadurch für Bewerbende ergeben.

 

  • Optimierungspotenziale herausstellen

Nachdem Sie die Analyse vorgenommen haben, fokussieren Sie sich auf die Möglichkeiten, die Sie Ihren Bewerbenden bieten und ziehen daraus Schlüsse, welche Bereiche noch erweitert beziehungsweise optimiert werden können.

 

Fragen Sie sich dabei, welchen Informationsbedarf und in welcher Form die Bewerbenden diesen in den verschiedenen Phasen benötigen.[19] Das Hineinversetzen in die Zielgruppe ist hier ein zentraler Aspekt zur Herausarbeitung von Verbesserungspotenzialen.[20]

Stellen Sie sich zudem immer wieder die Frage, wie Sie die zentralen Bedürfnisse der Bewerbenden erfüllen können: Einfachheit und Schnelligkeit.[21]

 

  • Ziele festsetzen

Das oberste Ziel ist es, die Zufriedenheit der potenziellen Mitarbeitenden über die gesamte Journey zu garantieren. Um einen Imageschaden zu vermeiden, sollte dies auch im Falle einer Absage gelten.22]

 

Dieses Hauptziel erreichen Sie, indem konkrete Ziele und messbare Kennzahlen für jeden Kontaktpunkte festgelegt werden.

 

  • Planung und Umsetzung

Wurden die Ziele festgelegt, können Sie mit der Planung Ihrer Recruiting-Aktivitäten starten, sodass die Ziele erreicht werden. Beachten Sie hier, dass oftmals mehrere verschiedene Recruiting-Aktivitäten zusammenspielen, um den Wunschkandidaten zu einer Bewerbung zu überzeugen.[23]

 

Einige dieser Aktivitäten wurden bereits in der Beschreibung der Phasen vorgestellt. Weitere Informationen zu Recruiting-Maßnahmen finden Sie hier.

 

Welche Sie für relevant befinden und schließlich umsetzen, kommt auf die Ressourcen Ihres Unternehmens und natürlich Ihre Zielgruppe an.

 

Die 3 wichtigsten Key Learnings:

  1. Analysieren Sie aus der Sicht der Bewerbenden Ihre eigene Candidate Journey.
  2. Kennen Sie alle direkten sowie indirekten Kontaktpunkte der Bewerbenden mit dem Unternehmen.
  3. Überprüfen Sie regelmäßig die aktuelle Candidate Journey Ihres Unternehmens.

 

Zögern sie nicht und nutzen sie ihr Marketing Know-How für ihr Recruiting! Mit einer durchdachten Candidate Journey schaffen Sie Struktur in das Chaos der Bewerberauswahl und finden heraus, wie Sie die Mitarbeitenden an Ihr Unternehmen binden und zu loyalen Teammitgliedern machen.

 

Nico Szczawinski, Caroline Derksen, Alisa Metdayeva und Jonah Fröhlich.

Literatur

[1] Customer Journey Digital.Verbunden.

[2] Ternès und Towers 2014, 153 f.

[3] Ullah und Ullah 2015, S. 8–9.

[4] Verhoeven 2020b, S. 56.

[5] Auer 2021, S. 15.

[6] Esch et al. 2015, S. 7.

[7] Verhoeven 2015, S. 36.

[8] Strupat 2022.

[9] Verhoeven 2020c, S. 56.

[10] Verhoeven 2020c, S. 56–57.

[11] Wald und Athanas 2017a, S. 7–8.

[12] Kleinkes 2020, S. 9.

[13] Wald und Athanas 2017a, S. 14.

[14] Springer Fachmedien Wiesbaden 2021, S. 205.

[15] Wald und Athanas 2017a, S. 21.

[16] Wald und Athanas 2017b; Wald und Athanas 2017a, 24 ff.

[17] Wald und Athanas 2017b; Wald und Athanas 2017a, 24 ff.

[18] Wald und Athanas 2017a, S. 27.

[19] Verhoeven 2016, S. 140.

[20] Erfolgsfaktor Candidate Experience 2015, S. 172.

[21] Verhoeven 2020a, S. 108.

[22] Hausmann und Braun 2021, S. 43.

23] Verhoeven 2020a, S. 43.

 

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